„Ich verstehe nicht, warum du so entschieden hast und auch noch an dieser Entscheidung festhalten willst. Ich habe anders entschieden. Es gibt gute Gründe sich so zu entscheiden wie ich. Ich musste hart dafür arbeiten um meine Entscheidung durchsetzen zu können. Wenn du dich auch so entscheidest wie ich, musst du dafür auch Opfer bringen. Du hast zwar gesagt, dass du aus diesem Grund gerade nicht so entschieden hast wie ich, aber ich glaube, du solltest dich trotzdem so wie ich entscheiden. Egal wie, du musst dieses Opfer dafür bringen. Ich kann mir nur einen einzigen Grund vorstellen, warum du anders als ich entschieden hast: weil du dieses Opfer nicht aufbringen willst. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es zusätzlich noch andere Gründe für deine Entscheidung geben kann. Aus meiner Sicht spricht fast alles dafür genau so zu entscheiden wie ich. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass du vielleicht nicht in der Lage bist, dieses Opfer zu bringen, das auch ich gebracht habe. Okay, es gibt die Kritik, dass dieses Opfer groß ist. Aber alle Menschen können es schaffen, das zu bringen. Ich weiß es einfach. Und falls es doch Menschen geben sollte, die das nicht können oder nicht wollen, definiere ich, dass sie nicht relevant sind. Also entscheide dich einfach so wie ich. Deine Entscheidung finde ich schlecht und kann sie nicht akzeptieren. Sie hat zwar keine Auswirkung auf mein eigenes Leben, es könnte mir also theoretisch völlig egal sein, ist es aber nicht. Deine Entscheidung macht dir das Leben viel leichter als meine Entscheidung. Ich möchte mich nicht damit auseinander setzen, dass der harte Weg, den ich gegangen bin, der von mir erwartet wurde, zu dem mir keine Alternativen aufgezeigt wurden, vielleicht nicht der einzige war. Ich habe mir viel Mühe gegeben Argumente zusammen zu tragen, die gegen deine Entscheidung sprechen. Ich habe dafür meine Wahrnehmung und Bewertung der Realität so verformt, dass es mir so erscheint, als ob deine Entscheidung tatsächlich nicht mal ansatzweise eine Überlegung wert sein könnte. Jetzt möchte ich meine eigene Entscheidung nicht dadurch in Frage stellen lassen, dass du dir anmaßt eine andere Entscheidung zu treffen. Ich will, dass du meine Entscheidung nachträglich legitimierst und mein aufgebrachtes Opfer würdigst, indem du auch so entscheidest wie ich. Mich interessiert nicht, ob es außer meiner Perspektive noch andere mögliche Perspektiven auf das Thema gibt. Mich interessiert nicht, ob andere Menschen die selbe Entscheidung wie du getroffen haben und damit zufrieden sind. Mich interessiert auch nicht, warum du dich gegen den Weg entschieden hast, den ich gegangen bin. Und warum du an dieser Entscheidung fest hältet. Und du als individueller Mensch interessierst mich schon mal gleich gar nicht. Bring mein Weltbild nicht durch deine Art zu Leben durcheinander!“
„Vielen Dank für deine Nachricht. Mir war schon bekannt, dass es bestimmte Gründe gibt, die gegen meine Entscheidung sprechen, ich habe sie trotzdem so getroffen.“
Solche Gespräche kosten mich Kraft. Ich brauche die Kraft für andere Sachen. Aber ich brauche auch Informationen. Manche Informationen erhoffe ich mir von Menschen, die mir zwar nicht die benötigten Informationen geben wollen und/oder können, aber mir statt dessen mitteilen, dass ich etwas falsch mache. Das Risiko gehe ich manchmal ein, wenn ich keinen besseren Zugang zu Informationen habe.
Mehrfachdiskriminierung heißt unter anderem: sich ein dickes Fell zulegen müssen, weil es Menschen gibt, die sich anmaßen über einen selbst oder das eigene Leben urteilen zu dürfen. Menschen mit Mehrfachdiskriminierungserfahrung erleben das sehr viel häufiger als Menschen mit wenig Diskriminierungserfahrung.
Der Frust darüber ist vollkommen angemessen.